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Dieses Titelbild ist von meiner Schwägerin - vielen Dank dafür!

Montag, 8. September 2014

28 Die kleine Feldmaus kann Ka-Ra-Te

Es war ein herrlicher, lauer Sommertag. Die kleine Feldmaus und ihre Freunde spielten den ganzen Tag auf dem Feld beim Weiher. Sie spielten Fangen, Verstecken und rannten um die Wette.

Als sie auf dem Weg nach Hause waren, kamen sie am Biberbau vorbei. Dort war Herr Biber gerade dabei, große Baumstämme in kleine handliche Stückchen zu zerkleinern. Es ging die ganze Zeit "Wusch! Zack! Kracks!" Und wieder war ein Stückchen entstanden. Herr Biber machte das alles nur mit seiter rechten Hand. "Das ist Karate." sagte das kleine rosa Schweinchen und staunte, als Herr Biber das auch mit Links machte. "Karate?" wunderte sich der kleine Igel. "Was ist denn das?"

"Karate ist eine uralte asiatische Kampfkunst, die weniger zum Kämpfen, sondern vor allem zum Baumstämme-Zerkleinern verwendet wird." sagte wieder das Schweinchen. "Können Biber das einfach so, oder muß man das lernen?" fragte der kleine Frosch. "Hmm... ich denke, das kann jeder lernen." sagte das kleine rosa Schweinchen etwas unsicher. "Ja! Das will ich lernen!" sagte der kleine Igel und schaute einem weiteren Baumstammstückchen nach, dass ins Wasser fiel. "Wo kann ich das lernen?" fragte er.
"Bei mir!" antwortete Herr Biber. "Wenn ich Zeit habe. Heute wird das nichts mehr. Aber am Samstag Vormittag, da würde es passen. Kommt doch einfach mal vorbei." Und die Freunde sagten für Sonnabend zu. Zum vereinbarten Zeitpunkt trafen sich die Freunde am Feldrand und gingen gemeinsam zum Biberbau. Sie waren ganz gespannt, ob sie das tatsächlich lernen konnten. Schon von Weitem sahen sie das Biberjunge winken und einen kleineren Baumstamm entzweien. "Schau, der kann das auch schon." sagte das kleine rosa Schweinchen. "Die wachsen damit auf. Das ist für Biber ganz normal." kommentierte der kleine Frosch.

Als sie beim Biberbau angekommen waren, kam Herr Biber gleich heraus und begrüßte die Freunde. "So, dann wollen wir mal sehen, was ihr schon könnt." Er nahm zwei Baumstücke und stellte sie mit etwas Abstand nebeneinander hin. Dann legte er einen dünnen, aber festen Ast quer darüber und sagte: "So, kleiner Frosch, du fängst an. Hau den Ast mal in zwei Teile." Wieso ich zuerst, dachte sich der kleine Frosch, ließ sich aber nichts anmerken. Er stellte sich vor die Konstruktion und peilte mit seiner Handkante den Ast an. Er holte aus und...

"AUA!" jaulte er. Der Ast war fester, als er gedacht hatte. "Ha ha ha ha ha!" lachte Herr Biber augenzwinkernd. "Schafft das einer von euch?" fragte er in die Runde. Alle schüttelten schnell ihre Köpfe. "Ich!" rief das Biberjunge, stellte sich an die gleiche Stelle, wo der Frosch soeben gestanden hatte, und... "Wusch! Zack! Kracks!" war der Ast in zwei Stücke geteilt. "Wie machst du das?" fragte das kleine rosa Schweinchen das Biberjunge. "Keine Ahnung." kam zur Antwort und das Biberjunge ging spielen.

Herr Biber legte einen neuen Ast zurecht. "Ich zeige euch jetzt ein paar Tricks. Aber letztendlich müßt ihr üben, üben, üben!" sagte Herr Biber und kam herüber. "Zuerst müßt ihr euren Schlagarm entspannen. Zum Beispiel mit eurer Faust: öffnen, schließen, öffnen, schließen, ja genau so." Die Freunde machten Fäuste und öffneten und schlossen sie wieder. "Dann müßt ihr euch konzentrieren. Auf den Ast, auf euren Schlagarm und auf eure Atmung." Er machte es vor. Es sah tatsächlich so aus, als wenn Herr Biber nichts mehr sah und hörte, sondern sich nur noch auf den Schlag konzentrierte. Er atmete jetzt ganz ruhig, aber tief und gleichmäßig. Und er konnte wohl nicht anders: "Wusch! Zack! Kracks!" Wieder ein kaputter Ast mehr.

"Ka-Ra-Te heißt: Karacho-rasender Arm-Technik. Wer möchte es nochmal versuchen?" Der kleine Igel meldete sich freiwillig. Er stellte sich an die gleiche Stelle, schloß die Augen, öffnete und schloß mehrmals seine Faust, atmete ganz ruhig und holte aus. "Wing! Zong! Krächts!" Dann verzog er sein Gesicht. Aber der Ast war angeknackst. "Klasse!" rief Herr Biber und die Freunde staunten nicht schlecht. Der kleine Igel war etwas stolz und versuchte es gleich nocheinmal. "Wuss! Zeng! Kröks!" Und der Ast brach fast entzwei. Die beiden Stücke hingen nur noch an einer kleinen Stelle zusammen und Herr Biber half durch Auseinanderziehen nach. Biber mögen wohl keine zusammenhängenden Holzstücke.
In den nächsten Tagen übten sie Baumstämme zerteilen. Herr Biber hatten ihnen einen Haufen mit dickeren und dünneren Ästen zusammengetragen. Die konnten sie jetzt traktieren. Der kleine Igel war schon ziemlich gut. Jedesmal bekam sein Ast einen dicken Knacks weg. Ab und zu schaute Herr Biber zu ihnen hinüber. "Konzentration! Und die Atmung nicht vergessen!" hatte er mehrfach gerufen. Sie wurden von Tag zu Tag besser. Das kleine rosa Schweinchen war außer sich vor Freude, als es einem ganz dünnen Ästchen einen klitzekleinen Riß zugefügt hatte. Es hopste hinundher und haute sich dann seinen Kopf an einem Zaunpfeiler der Koppel an.

Der kleine Frosch verzog bei jedem Schlag sein Gesicht und fragte immer wieder: "Wozu soll das gut sein?" Aber auch er grinste bis über beide Ohren, als sein Ast deutliche Spuren seiner Handkante zeigte. Zwei Wochen später war es soweit. Ständig war ein "Wusch! Zack! Kracks!" zu hören und der Test-Ast-Haufen war schon ganz klein geworden. Als Herr Biber wieder mal zu den Freunden hinüberschaute, sagte er prompt: "Na, das muß ich mir aber mal aus der Nähe anschauen."

Die Freunde zeigten ihm nacheinander, was sie drauf hatten. Bei jedem von ihnen nuschelte Herr Biber etwas, so in der Art: "Hm, hm, ah, ja." Als alle vier ihre Künste gezeigt hatten, kam die unerwartete Standpauke. "Ist das alles? Ihr nehmt immer noch die dünnen Ästchen von dem Haufen von vor zwei Wochen?" Die vier Freunde schauten etwas geknickt. Sie hatten angenommen, daß sie gut geübt hatten. Da grinste Herr Biber schelmisch. "He! Klasse macht ihr das. Alle vier. In zwei Wochen habt ihr gelernt, was normalerweise Monate dauert. Und da zeigt sich wieder: Übung macht den Meister! Also dran bleiben, wer ein Biber werden will." Und die Freunde klatschten in die Hände und schlugen noch ein paar Äste entzwei.
Am Abend schaute die kleine Feldmaus begeistert ihre rechte Handkante an. In den letzten Tagen war eine dünne Hornhaut entstanden, die jedem Ast trotzen konnte. Naja, sie wollte zwar kein Biber werden, aber wer weiß, wozu ein bischen Kraft im Arm mal nützlich sein könnte. Vielleicht konnte sie irgendwann einmal das kleine rosa Schweinchen hochheben. Dann aß sie weiter von der köstlichen Leberknödelsuppe.


Was in der nächsten Geschichte passiert


"Und wo ist jetzt die Gästeüberraschung?" fragte das kleine rosa Schweinchen etwas ungeduldig.


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